Gießener Allgemeine Zeitung, 17.07.2013

»Moving Sounds« verzaubern in Pfarrkirche

Marburg. Es war nicht nur das Abschlusskonzerts des Stadtfestes »3 Tage Marburg«, es war auch etwas ganz Besonderes:

Das Konzert von Markus Stockhausen und Tara Bouman als Duo »Moving Sounds« mit ihrem Programm improvisierter Musik verzauberte am Sonntagabend die fast 700 Zuhörer in der lutherischen Pfarrkirche.

Schon der Beginn war anders. Stockhausen (Trompete und Flügelhorn) und Bouman (Klarinette und Bassklarinette) starteten vom Eingang her und ließen ein sehr ruhiges, überblendendes Wechselspiel einzelner Töne erklingen, ganz einfach gespielt. Die meisten Zuhörer bekamen erst mal nicht ganz genau mit, woher die Töne kamen. Die hervorragende Akustik der Kirche – relativ kleiner Hall und eine vorzügliche Höhenverständlichkeit zusammen mit einer fast homogenen Klangverteilung – ließ dennoch jeden in den Genuss der Musik kommen. Zum ersten Mal machten Stockhausen und Bouman deutlich, dass »Moving Sounds« auch das Wandern der Klänge bedeutete. Langsam begannen die Menschen sich zu beruhigen; der Beifall war sogleich umfassend und anhaltend – bis zum letzten, dann enormen Aufbrausen zum Schluss.

Im zweiten Titel, »Andrea«, wurde gleichzeitig begonnen. Stockhausen setzte teils rhythmische Vorgaben, die Bouman aufgriff und die dann zu sanften Gemeinsamkeiten führten – ein leichte Veränderung der Spielweise, die aber bei der geübten Knappheit der Instrumente und Spielweisen sofort auffiel. Für »Belfort« wechselte Stockhausen vom Flügelhorn zur Trompete, Bouman spielte Bassklarinette, auf der sie zuweilen didgeridooartige Elemente lieferte; sehr effektvoll: Die Facetten mehrten sich, während die Trompete förmlich erstrahlte. Es war ein verspieltes Umeinandertirilieren, freier als bis dato und durchaus heiter. Auffällig war hier besonders, wie exzellent die Bassklarinette im Raum tragend agieren konnte, mühelos von vorn bis hinten reichend, perfekt artikuliert und wunderschön im Klang.

Ein Merkmal des Duos, das auch für Stockhausen gilt, der in der Region schon 2010 mit Ferenc Snetberger auf dem Kirchberg in Lollar brillierte. Er spielte in Marburg einfach vollkommen reine, gleichsam naturbelassene Töne, superb intoniert und mit einer Stabilität sensibel im Raum gestaltet, die ihresgleichen suchte: überragend. Hier zeigte sich, wie gleichsam reine Musik zu einer Wirkung gelangen kann, der sich praktisch jeder hingab. Kaum denkbar, dass fast 700 Menschen noch stiller und vor allem noch ruhiger sein können. Der Atem des Sitznachbarn zum Beispiel, zu Beginn deutlich und schwer, ging inzwischen ganz ruhig und flach.

Die rare Kombination von Bassklarinette und Piccolotrompete erklang in der ungemein sanften »Serenade«. »Wir haben hier nur eine Stimmung im Kopf«, erklärte Stockhausen hier die Arbeitsweise mit der improvisierten Musik, »und eine bestimmte Tonleiter, das ist uns das Thema.« Dazu erklangen auf der Trompete ganz kleine, feine Klangminiaturen und geradezu gehauchte Ergänzungen von Bouman. Aber es wurde nicht nur geschwungen und geschwebt. Plötzlich gab’s einen Wechsel vom eher Getragenen zum Flüssigen, ein freies, scherzendes Miteinander, bei dem Bouman auch schon mal ins Instrument sang.

Mit seinem faszinierend multitonalen, virtuosen Solo auf einem asiatischen Becken, später mit Bassklarinette, brachte Stockhausen so einige Zuhörer in ihren Grenzbereich. Doch mit dem abschließenden Wechselspiel zwischen den entferntesten Punkten der Kirche, einem wunderbar weichen und dennoch prägnanten Stereoerlebnis, war die musikalische Welt dann wieder ganz in Ordnung. Ein Abend von superber Musikalität und zugleich glaubhafter emotionaler Kraft, dargeboten mit fast elementaren musikalischen Elementen: wahrhaft bewegend, und das ist die zweite Bedeutung von »Moving Sounds«. © Gießener Allgemeine Zeitung 2013 – www.giessener-allgemeine.de



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